Nachruf auf Dr. Georg Möllers *22.02.1960 in Rheine † 26.07.2022 in Mehmels

„Wider das Vergessen“ – Zum Tod von Dr. Georg Möllers

Dr. Georg Möllers Foto: privat

Die DVG-Fachgruppe ´Geschichte der Veterinärmedizin´ trauert um einen hochgeschätzten Kollegen und Freund. Am 26. Juli 2022 hat Georg Möllers seinen jahrelangen Kampf gegen ein heimtückisches Krebsleiden im Alter von 62 Jahren verloren.

Georg wurde am 22. Februar 1960 in Rheine geboren, war gelernter Zootierpfleger und Pferdewirt und studierte an der TiHo Hannover Veterinärmedizin (1992-1998), von 1994 an als Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, die im Anschluss auch sein Promotionsstudium unterstützte.

Seine Teilnahme an der ersten DVG-Fachtagung zum Thema „Tiermedizin im Dritten Reich“ im Herbst 1997 in Hannover war Motivation, sich mit einem Thema zu beschäftigen, das auf der Tagung nur gestreift worden war. Es war das Thema „Jüdische Tierärzte im Deutschen Reich in der Zeit von 1918 bis 1945“. So lautete dann auch der Titel seiner mit 337 Seiten gewichtigen Dissertation, mit der er im Sommersemester 2002 an der TiHo Hannover mit dem Prädikat summa cum laude zum Dr. med. vet. promoviert wurde.

Georg konnte den Lebensweg und das Schicksal von 131 jüdischen Tiermedizinern biographisch erfassen. Und das war Kärrnerarbeit. Unzählige Anfragen an Archive mussten gestellt werden, und die mündliche oder schriftliche Befragung von Zeitzeugen oder deren Nachfahren im In- und Ausland war nicht nur zeitaufwändig, der persönliche Kontakt erforderte auch eine hohe Sensibilität. Aber das war Georg: Einem Gegenüber mit Respekt und Empathie zu begegnen, hat ihm nicht nur Tür und Tor, sondern auch Herzen geöffnet.

Georgs Dissertation war eine Pionierarbeit, die für die Tierärzteschaft Deutschlands und Israels bis heute eine große gesellschaftspolitische Bedeutung hat. Er wurde dafür im Jahr 2006 mit dem „Dr. Ari Shoshan Research Prize in Veterinary History“ der Israelischen Tierärztegesellschaft ausgezeichnet, den er in Jerusalem persönlich entgegennahm.

Nach der Promotion setzte Georg seine Aktivitäten „Wider das Vergessen“ kontinuierlich fort. Er arbeitete zunächst als Labortierarzt im BSE-Labor der LUFA in Hannover-Ahlem (2002-2005), anschließend war er als amtlicher Tierarzt beim Landkreis Schmalkalden-Meiningen tätig (2005-2018).

Georg hat respektable Vorträge gehalten und viel beachtete Aufsätze publiziert, und das stets mit dem Ziel, die Erinnerungskultur wachzuhalten: “Es bleibt eine Pflicht der deutschen Veterinärmedizin, sich der Opfer des Nationalsozialismus in ihren Reihen zu erinnern und ihnen ein ehrendes Andenken zu bewahren”, hatte er bereits 2005 festgestellt. Und dieses Ziel hat er mit hoher Sachkompetenz und mit Herzblut verfolgt.

Im Jahr 2018 hat er ein Resumee des bisher Erreichten gezogen und mit Blick auf Israel folgendes geschrieben: “Die Aufarbeitung dieses Teils der deutschen Veterinärgeschichte wird in Israel aufmerksam verfolgt […]”. Als wichtigster Aspekt bleibt festzuhalten, “[…] dass es für die Nachfahren der Opfer nach wie vor immens wichtig ist zu sehen, dass das Andenken an die Leiden und die Not ihrer Vorfahren im Land der Täter bewahrt und dass die Kultur des Erinnerns weitergetragen wird.”

Der entscheidende Durchbruch, die gesamte Tierärzteschaft für dieses Ziel zu sensibilisieren, gelang mit einem Aufsatz im Deutschen Tierärzteblatt 2/2019 mit dem Titel „Der jüdische Tierarzt hat alles zurückgelassen – Das Erlöschen der Approbationen jüdischer Tierärzte im Nationalsozialismus“. Georg Möllers und Michael Schimanski erinnerten daran, dass vor 80 Jahren, zum 31. Januar 1939, allen jüdischen Tierärzten die Approbation entzogen worden war. Sie hatten damit Berufsverbot und verloren ihre wirtschaftliche Existenz. Der Artikel endet mit der Ankündigung, einen bleibenden Gedenkort zu schaffen.

Und ein solcher Gedenkort ist seit 9. November 2020 online. Es ist die Datenbank „NS-Schicksale“, die auf der Homepage der Bundestierärztekammer für jedermann zugänglich ist. Sie enthält derzeit 155 kommentierte Kurzbiographien. Auf der Grundlage eines Kooperationsvertrages zwischen der DVG und der BTK und durch tatkräftige Unterstützung der Chefredakteurin des Deutschen Tierärzteblattes ist damit ein virtuelles Forum zum dauerhaften Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im Bereich der Tiermedizin geschaffen.

Diese Datenbank ist Georgs Lebenswerk, für das er so viele Jahre gemeinsam mit Michael Schimanski gearbeitet hat, der sie auch fortschreiben und aktualisieren wird. Sie ist zugleich ein offizieller Ausdruck für die hohe Wertschätzung seiner Person. Georg hat es erreicht, dass die deutsche Tierärzteschaft sich klar positioniert hat: gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und gegen Diskriminierung.

Georg Möllers hat für die Veterinärgeschichte Unschätzbares geleistet, und das seit vielen Jahren mit dem Sensenmann im Rücken. Er hat eine Erinnerungskultur geschaffen, die der Tiermedizin in anderen Ländern zum Vorbild wurde. Seine berufsgeschichtliche Forschungsarbeit und sein soziales und politisches Engagement in seinem Thüringer Umfeld wurden auf einer sehr stimmungsvollen Abschiedsfeier in der Pfarrkirche in Mehmels am 13. August 2022 mit zahlreichen Wort- und Musikbeiträgen eindrucksvoll gewürdigt. Im Anschluss fand die Urnenbeisetzung statt.

Johann Schäffer, Michael Schimanski, Melanie Schweizer, Martin F. Brumme, Dirk Löwke, Hildegard Jung

Publikationen

Möllers G (2002): Jüdische Tierärzte im Deutschen Reich in der Zeit von 1918 bis 1945. Hannover, Tierärztliche Hochschule, Diss. Berlin: Tenea Verlag, 338 S.

Beiträge in DVG-Tagungsbänden

Möllers G (2000): Lebenswege jüdischer Tierärzte in Deutschland: Paul Stern, Moritz und Heinz Kahn. In: Schäffer J (Hg.): Tiermedizin in der Nachkriegszeit [7. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, 223-234.

Möllers G (2001): Liz Newall: Als Sarah mit dem Tierarzt fremd ging (Why Sarah ran away with the veterinarian). „Über Tierärzte – Von Tierärzten“: eine belletristische Werkschau. In: Schäffer J (Hg.): Tiermedizin im Spiegel der Kunst, Literatur und Musik [8. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, 163-164.

Möllers G (2004): „ein tüchtiger und fleißiger Mann“ – Jüdische Studentenschicksale. In: Schäffer J (Hg.): Student(in) der Tiermedizin – Einst und jetzt [11. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, 149-160.

Möllers G (2006): Schildkrötenvakzine und Tuberkulose – Chronik eines fast 50jährigen Wissenschaftsstreites. In: Schäffer J (Hg.): Friedrich Loeffler (1852-1915): Höhepunkte der Tier-Mikrobiologie [13. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, 134-143.

Möllers G (2012, Poster): „Es sind übrigens nur ganz wenige, die sich gegen meine dienstliche Geschäftsführung auslassen …“ – Jüdische Tierärzte im öffentlichen Veterinärwesen Deutschlands zwischen 1918 und 1945. In: Schäffer J (Hg.): Die Entwicklung des öffentlichen Veterinärwesens [16. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, 247-248.

Schimanski M, Möllers G (2014): Wilhelm Nöller (1890-1964) – Pionier und Wegbereiter der Para­sitologie in Deutschland. In: Schäffer J (Hg): Mensch – Tier – Medizin. Beziehungen und Probleme in Geschichte und Ge­gen­wart [17. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, 81-98.

Möllers G (2018): Jüdische Tierärzte im Deutschen Reich: eine Nachlese. In: Schäffer J (Hg.): Veterinärmedizin und Nationalsozialismus in Europa. Stand und Perspektiven der Forschung [19. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, 90-104.

Möllers G (2022): Alf Wight‘s Weg zum bekanntesten Tierarzt der Welt. In: Schäffer J (Hg): Von Gutenberg bis Facebook: Tiermedizin in den Medien [21. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, in Druckvorbereitung.

Beiträge in Fachzeitschriften

Möllers G, Schäffer J (2005): Jüdische Tierärzte in Deutschland, 1918-1945. In: Dtsch. tierärztl. Wschr. 112 (10), 386-392.

Möllers G, Schäffer J (2005): Jüdische Tierärzte im Deutschen Reich von 1918 bis 1945. Poster aus Anlass des Volkstrauertages 2005, Foyer des Veterinärmedizinhistorischen Museums der TiHo Hannover, Hannover 2005.

Möllers G, Schäffer J (2006): Jewish vets in Germany between 1918 and 1945 – In memory of our colleagues. In: F. Rojo Vázquez, J. M. M. Rodríguez and J. G. F. Álvarez (Eds.): Proceedings ot the 37th International and 12th Spanish National Congress on the History of Veterinary Medicine, León, Spain, September 22-24, 2006. Asociación Leonesa de Historia Veterinaria, León 2006, 283-285.

Anonym [i. e. Schäffer J] (2007): Dissertation über jüdische Tierärzte im Deutschen Reich ausgezeichnet. In: Deutsches Tierärzteblatt 55 (1), 174.

Anonym [i. e. Kahn H, Möllers G, Platt S] (2007): Zeitzeugenbericht des Tierarztes Dr. Heinz Kahn anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2007. In: Deutsches Tierärzteblatt 55 (3), 296-297 [Kursivtext von Dr. Heinz Kahn, Dokumentation und Redaktion Georg Möllers und Susanne Platt].

Möllers G (2010): Chanan Lernau – Pionier der Mastitisbekämpfung. In: Deutsches Tierärzteblatt 58 (11), 1438-1443.

Möllers G, Schimanski M (2013): „Und dann komme ich zurück“. Die Tragik des Parasitologen Wilhelm Nöller: In Deutsches Tierärzteblatt 61 (4), 484-489.

Möllers G, Schimanski M (2019): „Der jüdische Tierarzt hat alles zurückgelassen“ – Das Erlöschen der Approbationen jüdischer Tierärzte im Nationalsozialismus. In: Deutsches Tierärzteblatt 67 (2), 188-191.

Varia

Schäffer J (2001): Vets live – Poesie und Musik. Ein Abend der besonderen Art. In: Schäffer J (Hrsg.): Tiermedizin im Spiegel der Kunst, Literatur und Musik [8. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, 200-204.

Schäffer J (Red. 2001): „Über Tierärzte – Von Tierärzten“. Eine belletristische Werkschau durch Teilnehmer des Veterinärmedizinhistorischen Seminars an der TiHo Hannover im SS 2000, mit Beiträgen von Jorunn Wissmann, Andreas Serfas, Imke Hauschild, Ulrike Pfuhl, Silke Parras, Vera Müller-Skuplik und Georg Möllers. In: Schäffer J (Hrsg.): Tiermedizin im Spiegel der Kunst, Literatur und Musik (Vortragsauswahl) [8. Tagung der DVG-Fachgruppe Geschichte]. Giessen: DVG, 148-164.