16. Jahrestagung

Von der Bekämpfung der Rinderpest zum Verbraucherschutz: Die Entwicklung des öffentlichen Veterinärwesens

11. November 2011
Estrel Convention Center Berlin

Im Rahmen des 57. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Kleintiermedizin

Organisation und Leitung
Johann Schäffer

Wann, wo und wie begann sich ein öffentliches Veterinärwesen – früher als „Veterinärpolizei“ bezeichnet – zum Schutz der Gesundheit von Tier und Mensch zu formieren? Seuchenkranke oder ‑verdächtige Tiere abzusondern, zu töten und die Kadaver in toto zu vergraben, sind bereits in der Antike bezeugte Maßnahmen effizienter Tierseuchenbekämpfung. Ab dem 8. Jh. sind in Hof- und Dorfrechten (sog. Weistümern) tradierte seuchenpolizeiliche Maßregeln sowie in Stadt- und Landrechtsordnungen verankerte Instruktionen zur Schlachttier- und Fleischkontrolle überliefert. Vor dem Weidewechsel (z. B. Almauftrieb) oder vor Messen und Märkten war es vielerorts vorgeschrieben, die Tiere durch Sachverständige aus dem Landvolk (Ross- und Viehbeschauer) untersuchen zu lassen. Aus dem Fach „Seuchengeschichte der Haustiere“ hat sich im letzten Drittel des 19. Jhs. das heutige Lehr- und Forschungsfach „Geschichte der Tiermedizin“ entwickelt.

Die Entwicklung des öffentlichen Veterinärwesens wurde national wie international durch zwei Faktoren bestimmt und gefördert: zum einen durch die schrittweise Selbstorganisation des tierärztlichen Berufsstandes (in Deutschland ab 1833 Gründung tierärztlicher Vereine; 1874 Zusammenschluss im Deutschen Veterinärrat (DVR) als bis heute effizienteste standespolitische Einrichtung), und zum anderen durch die Entdeckungen der Mikrobiologie und Parasitologie, nachdem Rudolf Virchows Zellularpathologie (1858) als neues Krankheitskonzept der Medizin wissenschaftliche Anerkennung gefunden hatte. Die Einführung der obligatorischen Trichinenuntersuchung in Preussen (1886) und das Inkrafttreten des „Reichsfleischbeschaugesetzes“ (1903) waren Meilensteine in der Geschichte der Fleischhygiene und des Verbraucherschutzes. In allen Ländern galt es, verlustreiche Viehseuchen einzudämmen (Rinderpest, MKS) und lebensbedrohliche Zoonosen zu bekämpfen (Tollwut, Milzbrand, Rotz, Trichinose).

Das Rinderpestgesetz des Norddeutschen Bundes vom 7. April 1869 – mit erstmaliger Einbeziehung „beamteter Tierärzte“ – stand wegweisend am Beginn der Entwicklung zu den heute hoch differenzierten Tätigkeitsbereichen des öffentlichen Veterinärwesens oder – enger gefasst – des amtstierärztlichen Dienstes, der alle im Interesse der Öffentlichkeit liegenden veterinärmedizinischen Aufgaben zum Schutz der Gesundheit von Tier und Mensch wahrnimmt. Der erste Kreistierarzt war 1824 Prof. Karl Gottlob Prinz an der Tierarzneischule Dresden für den Kreis Meißen. Vollbesoldung erhielten die Kreisveterinäre erst 1933. Auch die nach 1948 periodisch wiederkehrende Fragestellung der politischen Resortierung des Veterinärwesens ist ein (Reiz)Thema mit historischen Wurzeln in der Pionierzeit der Tiermedizin Ende des 19. Jahrhunderts. Der zeitliche Fokus der Tagung ist primär auf den Zeitraum ab 1850 gerichtet, es sind aber auch Beiträge zu früheren Epochen willkommen.