17. Jahrestagung und Methodenseminar

Mensch – Tier – Medizin
Beziehungen und Probleme in Geschichte und Gegenwart

8.-9. November 2013
Estrel Convention Center Berlin

Im Rahmen des 59. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Kleintiermedizin

Organisation und Leitung
Johann Schäffer

Tagung

Das Maß aller Dinge ist der Mensch, hatte Protagoras postuliert, und die daraus resultierende Hierarchisierung der Lebewesen durch Aristoteles (Gott – Mensch – Tier) besteht in modifizierter Form bis heute. So gelten Tiere eben nur als „unvollkommene Menschen“ und Menschen als „unvollkommene Götter“. In erster Linie bringen Tiere dem Menschen aber mannigfachen und vielfältigen Nutzen. Im Extremfall sind sie für ihn Nahrungsmittel und Therapeut in einer „Person“. Tiere sind Ursprung und essentieller Bestandteil jeglicher Kultur und Zivilisation. Die Mensch-Tier-Beziehung ist ein schwer definierbares und permanent in Veränderung befindliches Geflecht mit vielen zeit- und gesellschaftsabhängigen Variablen.

Es wurde wiederholt versucht, die philosophischen, religiösen oder juristischen Aspekte in ihrer historischen Genese und Evidenz zu erfassen. Heute liegt der Fokus der interdisziplinären Forschung verstärkt auf dem Gebiet der Psychologie der Mensch-Tier-Beziehung. Es intereressiert die soziale, familienanaloge, anthropomorphe, pädagogische, präventive und therapeutische Bedeutung von Tieren. Die Tagung erweitert das Spektrum der Aspekte um die Beziehungen zur Allgemeinmedizin. Dabei könnte den Ausgangspunkt der Retrospektive Johannes Philippo Ingrassias´ Postulat von 1568 bilden, „dass die Tierheilkunde formal ein und dieselbe sei wie die vornehmere Heilkunde des Menschen und sich lediglich hinsichtlich der Würde und der Vornehmheit des Behandlungsgegenstands unterscheide“, – heute als One Medicine – One Health Konzept wiederentdeckt.

Tiere stehen seit Jahrtausenden im Dienst der menschlichen Gesundheit in Prophylaxe und Therapie. Vom Hund als Attribut der Heilgöttin Gula in Vorderasien führt die Überlieferung zu Asklepios, dem Heiler mit dem Hund, und dann weiter zum armen Lazarus, „dem Hunde seine Schwären leckten“. Als Blinden-, Begleit-, Visitations- und Therapietiere erfüllen Hunde heute eine immer wichtiger werdende Aufgabe im Rahmen der tiergestützten Intervention. Seit dem frühen 17. Jh. standen Tiere dann aber auch zunehmend im Dienst der physiologischen und pharmakologischen Experimentalforschung. Die grundlegenden Erkenntnisse auf dem Gebiet der Phyto- und Chemotherapie wurden im Hundeexperiment gewonnen. Parallel entstand die Antivivisektionsbewegung. Sie kam erst durch das Tierschutzgesetz von 1933 zu einem vorläufigen Abschluss.

Der Nutztierbereich ist nicht minder reich an Aspekten. Edward Jenners Beobachtung, dass Kuhmägde nur ausnahmsweise an Menschenpocken erkrankten (1796) und den daraus resultierenden Impfprogrammen mit Kuh- und Schafpockenlymphe, steht am Beginn der systematischen Bekämpfung vieler Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier. Es waren aber auch Impfgegnerschaft und heute Impfmüdigkeit die Folge. Mit ihrem Aufsatz „Ueber das Zustandekommen der Diphtherie-Immunität und der Tetanus-Immunität bei Thieren“ (1890) legten Emil von Behring und Shibasaburo Kitasato den Grundstein für die Serumtherapie. Nach wie vor produzieren Pferde Tetanusserum und Tuberkulin für den Humansektor, was regelmäßig Proteste von Tierschützern hervorruft. Beispiele unter vielen aus dem Beziehungsgeflecht Mensch – Tier – Medizin, das sich beliebig erweitern ließe um Aspekte zur Geschichte der Zoonosen oder Xenotransplantation.

Seminar

Dieser Einführungskurs richtet sich an Studierende, Doktoranden und Tierärzte, die ein Forschungsvorhaben im Bereich der Geschichte der Tiermedizin planen oder daran arbeiten. Er vermittelt Grundkenntnisse über die methodischen Schritte des literarisch-wissenschaftlichen Arbeitens und deren praxisbezogene Umsetzung, von der systematischen Themensuche und zielgerichteten Literaturrecherche bis zur korrekten Schriftfassung der Ergebnisse.

Der Kursinhalt ist in drei Komplexe gegliedert: 1. Heuristik (Suche, Sichten und Sammeln der Quellen und Literatur; Archivarbeit; Umfrage- und Interviewtechniken), 2. Kritik und Interpretation (Beurteilung und Auslegung der dokumentarischen Basis als tragende Säulen der Historiographie), 3. Darstellung der Ergebnisse (von der exakten Titelfassung bis zum richtigen Zitieren). – Unter dem verharmlosenden Slogan „Ich muss nur noch zusammenschreiben“ verbirgt sich die härteste und zeitraubendste Phase jeglicher historischer Arbeit.